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Geistliches Wort zu Ostern 2024


Vorwärts und rückwärts


Stellen Sie sich folgende Szene bildhaft vor (vielleicht haben Sie das sogar schon so oder so ähnlich erlebt!):

Ein älterer Mann und ein Kind, Großvater und Enkel, sitzen in einem Ruderboot und fahren auf einen See hinaus. Jeder hat ein Ruder. Gerade machen sie Pause nach einiger Zeit gemeinsamer Ruderschläge. Jetzt ist Zeit zum Genießen. „Opa“, sagt das Kind, „siehst du die Entenfamilie dort hinten? Als wir vorhin an ihnen vorbei gerudert sind, habe ich noch gar nicht bemerkt, wie viele kleine Entenküken es sind. Schau mal, wie lebensfroh sie hinter ihrer Mutter her schwimmen! Komisch, dass mir das nicht gleich aufgefallen ist!“


Der Großvater nickt. „Du hast recht“, sagt er. „Ich sehe die Kleinen auch erst jetzt. Vorhin aber habe ich sie nicht gesehen, wir waren damit beschäftigt zu rudern und Kurs zu halten. Auch der große Baum, der seine Äste und Blätter ins Wasser hängen lässt, als wollte er davon trinken, ist mir nicht aufgefallen.“ Das Kind schaut hin und nickt. Gemeinsam finden die beiden immer mehr kleine und größere Dinge, auf die sie einander aufmerksam machen.


Das Kind wird nachdenklich. „Opa“,sagt es, „könnte es sein, dass es immer so ist?“ Der Großvater blickt seinen Enkel fragend an. „Wir sind so beschäftigt mit den Dingen, die wir zu tun haben, dass wir gar nicht genau erkennen, was es alles um uns gibt. So wie die Küken und der Baum am Ufer. Erst wenn wir anhalten und alles auf uns wirken lassen, gibt es ein ganzes Bild.“

„Du hast recht“, sagt der Großvater. „Und eines kommt noch hinzu: Wir sitzen immer mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Erst wenn wir schon daran vorbei sind, ergibt sich ein ganzes Bild. So ist es oft im Leben. Wir bewegen uns in eine Richtung, und erst wenn wir zurückschauen, ergibt sich ein Bild mit allem Schönen, Liebenswerten und Besonderen.“

Von dem dänischen Philosophen Sören Kierkegaard stammt der Satz: „Das Leben kann man nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“

Vorwärts leben, rückwärts verstehen. Wir rudern mit dem Rücken zur Fahrtrichtung des Lebens, und viele Dinge ergeben nur im Rückblick einen Sinn und werden verständlich. Trotzdem den Mut zu haben,  weiter zu rudern, also vorwärts zu leben - es bleibt ein Wagnis und ist ein Risiko. Das ist manchmal schwer auszuhalten. Auch für Jesus war es das. Er wollte ja nicht gekreuzigt werden. Er wollte von der Liebe Gottes sprechen, und er hat Zerbrochenes heil gemacht. Aber dann kam sein Kreuz. Er wollte es nicht, und er weinte sogar, als es unabwendbar wurde. Und doch wich Jesus nicht aus. Ob er gedacht und gefühlt hat: Was von Gott, meinem Vater, kommt, kann doch am Ende nur Liebe sein? Das wissen wir nicht. Einen Weg aber gibt es für uns, denke ich. Wir können in allem, was uns begegnet oder widerfährt, ein Angebot zur Liebe sehen: Entweder versuchen wir, ein Angebot Gottes zu sehen, der uns liebt. Oder wir versuchen, ein Angebot zu sehen, das uns lieben lässt. Wir können es zumindest versuchen, auch in den Stunden des Kreuzes, uns die Liebe nicht nehmen zu lassen.   

Was auch immer geschehen mag: Im Rückblick: Es war Gottes Liebe, die das Kreuz in einen strahlenden Ostermorgen verwandelt hat.

Rückblickend auf 18 Jahre in Ihren Gemeinden sage ich an dieser Stelle aus tiefem Herzen einfach: Danke!

Danke für die vielen gemeinsamem Ruderschläge!

Danke für das Suchen nach der richtigen Richtung und das Halten des Kurses!

Danke für die Momente des Innehaltens und Genießens!

Danke für die geteilten Stunden des Kreuztragens!

Danke für das Vertrauen, dass es die Liebe Gottes wirklich gibt!


Bleiben Sie behütet!

Ihr B. Ziegler, Pfr.